Vor nicht allzu langer Zeit schrieb Chris über die Benzinpreiserhöhungen, 1,70 € seien noch lange nicht genug. Die Argumentation ist schlüssig: Wenn wir bedenken, dass das Erdöl, welches ein wichtige Rohstoff vieler Alltagsgegenstände ist, einfach verfeuert wird, um diese Gegenstände und uns in der Gegend herumzukutschieren und unserer Bequemlichkeit zu dienen, kann der Preis für Benzin gar nicht hoch genug angesiedelt werden. Wir sollten nicht bezahlen, was die Förderung kostet, sondern was der Ersatz dieses verfeuerten Liters wert ist.
Als Stadtmensch konnte ich da bedenkenlos zustimmen. Das Auto ist für mich ein Luxus, den ich nur selten brauche. So selten, dass ich mir nach Ableben meines aktuellen Autos1 kein neues kaufen, sondern mich im wirklichen Bedarfsfall auf Mietwagen und Car-Sharing-Angebote verlassen werden. Die Kalkulation ergibt, dass das schon ohne Benzinverbrauch kostengünstiger ist. Alles andere erledigen die öffentlichen Verkehrsmittel.
Diese Zustimmung wurde am Osterwochenende herausgefordert, als ich meine Familie besuchte, die in ländlicher bis sehr ländlicher Gegend wohnt. Mit eigenem Garten, großen Wiesen, Wald und unter dem Strich wahrscheinlich einer besseren CO2-Bilanz als ich in meiner Stadtwohnung. Nur gibt es in dieser ländlichen Gegend vor allem sehr viel Platz, den zu überwinden es gilt. Mit der Bahn zum Bahnhof: kein Problem. Ab da gilt es, Strecken zwischen 3 und 15km zu überwinden. Öffentlicher Nahverkehr ist vorhanden; überwiegend aber, um Schulkinder morgens zur Schule und Nachmittags nach Hause zu bringen. Am Osterwochenende ist das nicht relevant. Die Buslinien, die es gibt, fahren eher ökonomisch sinnvoll als praktikabel und für die Kosten einer Taxifahrt darf ich die öffentlichen Verkehrsmittel in Magdeburg einen Monat lang nutzen. Man könnte jetzt argumentieren, dass diese Menschen ja in die Stadt ziehen können. Aber dann müssten wir auch alle ans Mittelmeer ziehen, um Heizenergie zu sparen und ob eine Stadt so viel energieeffizienter ist, ist auch fragwürdig.
Die Folge ist, dass jeder, der es sich finanziell und körperlich leisten kann, dort ein Auto besitzt und dieses auch ausgiebig nutzt. Alle anderen bleiben zu Hause und lassen sich versorgen. Zwar fahren Bäcker und Fleischer über die Dörfer 2, von einer mobilen Drogerie oder Apotheke habe ich aber noch nichts gehört. Selbst wenn man mit dem Bus den Weg zum nächsten Supermarkt geschafft hat – und in der Nähe des Supermarkts gibt es keine Bushaltestelle – muss man seine Einkäufe auch noch nach Hause schaffen. Kurz, ohne Auto ist man echt aufgeschmissen!
Der einzige Effekt, den die Benzinpreiserhöhungen haben, ist eine Erhöhung der Lebenserhaltungskosten.
Das heißt natürlich nicht, dass das Auto und die Verbrennung von Erdöl die einzige gangbare Lösung sind. Was mich aber stört, ist der Weg, auf dem das Problem angegangen wird. Anstatt individualisierten öffentlichen Nahverkehr anzubieten3 oder die Elektromobilität4 auf dem Land zu fördern, ganz zu schweigen von der oben angedeuteten Möglichkeit, andere Services mobil zu machen.
Ich denke, dass es nicht ausreicht, einfach nur den Treibstoff teurer zu machen. Es müssen gezielt Aufbau und Förderung von Alternativen stattfinden und es muss differenziert werden, welche Mobilität notwendig ist! Dann wird es eines Tages überflüssig, einen halben Meter über der Straße Benzin zu verbrennen, um Menschen und Waren zu bewegen.
was recht bald der Fall sein könnte ↩
mit dem Effekt, dass die Dorfbäcker überwiegend pleite sind ↩
Ich habe das in Südfrankreich erlebt: Wer dort in das Hinterland wollte, konnte eine Hotline anrufen und angeben, welche der ausgeschriebenen Linien er nutzen wollte. Dort fuhren dann kleinere Busse. Praktisch gab es also einen Fahrplan, der aber nur umgesetzt wurde, wenn es auch Interessenten gab. Die Kosten entsprachen denen einer normalen Busfahrt. ↩
Der Vorteil der Elektromobilität ist die Entkopplung von Energieerzeugung und -nutzung. Wenn uns eines Tages eine bessere Art einfällt, Strom zu erzeugen, müssen wir nicht erst alle Autos austauschen, wie das jetzt der Fall ist. ↩